Besonders im Frühjahr locken Sonnenschein, Wärme und noch immer ausreichend Schnee jenseits der 1.500 m Wintersportler in die Berge für eine Skitour. Um diese Jahreszeit gilt das als relativ sicher. Die großen Schneemengen sind gefallen, die Schneedecken haben sich gesetzt und es ist im Allgemeinen eher mit Plusgraden nach Sonnenaufgang zu rechnen. Und wenn’s dann doch nochmal draufschneit, was soll’s. Gibt eh nur maximal ’nen Dreier als Lawinenwarnstufe. Auf der Skala von 1 (gering) bis 5 (sehr groß) ist das doch vertretbar, oder?

Fakt ist, dass bei Lawinenwarnstufe 3 bei weitem die meisten tödlichen Lawinenunglücke passieren. [1] Denn Stufe 3 bedeutet „erhebliche Gefahr“ und ist nicht wirklich mit „mittlere Gefahr“ als Mittelwert von 1 und 5 zu übersetzen. Die Kombination von Unwissenheit im Umgang mit Lawinenwarnberichten, Unerfahrenheit in der Risikoeinschätzung vor Ort und einer erhöhten Risikobereitschaft bei der vermeintlich „mittleren / eventuellen“ Gefahr ist eine denkbar ungünstige. Wenn dann noch steile, nordexponierte Hänge befahren werden steigt das statistische Risiko eines Lawinenunfalls nochmals deutlich an. [2] Eine sehr gute und recht ausführliche statistische Analyse zum Thema hat der ÖAV in seinem Mitgliedermagazin „Bergauf“ veröffentlicht. [3] In dieser Analyse wird auch Lawinenexperte Werner Munter zitiert, welcher die Kombination aus Gefahrenstufe 3, einer Hangneigung von mehr als 40° und einer Nordexposition als „todgeilen Dreier“ bezeichnet hat. (Und auch auf den „unterschätzen Zweier“ wird eingegangen. Rund ein Viertel der tödlichen Lawinenunfälle passieren bei Warnstufe 2.)

Deshalb wird von einigen Seiten gar eine Abschaffung des Lawinendreiers gefordert. [4] Das wichtigste meiner Meinung nach ist, sich nicht blind auf Zahlen und Daten zu verlassen. Allein aufgrund des Lawinenwarnberichtes und ohne aktuelle Ortsbegehung würde ein seriöser Bergführer niemals eine Empfehlung für oder gegen eine Tour abgeben!
Erfahrung und gesunder Menschenverstand sind besonders in diesem Kontext unfassbar wichtig. Und auch das ist noch zu wenig, da das Thema Lawine so komplex ist und auch im Kontext des Klimawandels „alte Hasen“ immer wieder Überraschungen erleben.

Ich habe den Winterteil meiner Ausbildung zum Bergwanderführer im Jänner 2019 in der Ramsau am Dachstein gemacht. Genau in der Woche, als dort eine Lawine durch ein Hotel im Ortskern gefahren ist. Die großen Schneemengen am Dachsteinplateau in Kombination mit den warmen Temperaturen unterhalb von 2.000 m haben diese Lawine zu einem katapultartigen Geschoss gemacht (vergleichbar mit dem Wasserfilm unter den Kufen beim Schlittschuhfahren). Niemand hat damit gerechnet, dass eine Lawine von der Bergstation der Seilbahn so weit bis ins Tal kommt, sodass unsere Ausbilder während des Kurses die allgemeine Empfehlung des Bergwanderführerverbandes für die maximale Hangsteilheit bei einem Lawinendreier um 5° reduziert haben.
Ein Freund von mir ist sehr erfahrener Bergsportler und hat zur gleichen Zeit in Tirol eine Skitour bei Lawinenwarnstufe 5 in einem Gelände mit Hangsteilheit weit jenseits der 30° gemacht. Seine Aussage: Das Wetter war zu schlecht, dass Aufklärungshubschrauber seriös die lokale Lawinengefahr einschätzen konnten, deshalb hat man sicherheitshalber einen 5er festgelegt. Laut seiner Aussage war die Tour, die er gemacht hat sicher.
Eine sehr gute Orientierung von der Vorbereitung der Tour bis zur Beurteilung vor Ort ist die 3X3 Methode. [5] Ebenfalls sehr hilfreich ist die Stop or go Karte. [6]

Wer es gerne ausführlicher möchte wird einmal mehr beim ÖAV fündig. [7] Gute Tipps zur Verschüttetensuche gibt es dort ebenfalls. [8]
Und generell gilt – immer den aktuellen Lawinenwarnbericht studieren. [9]
[1] https://www.alpenverein.at/portal/news/aktuelle_news/2015/2015_01_09_Lawinengefahr-Risiken.php
[2] https://www.neue.at/tribuene/2019/11/09/der-toedliche-geile-dreier.neue
[3] https://www.alpenverein.at/portal_wAssets/docs/service/bergauf/pdf_downloads/bergauf_2019/Bergauf_1_19_eBook.pdf
[4] https://www.derstandard.at/story/2000030675236/schafft-den-lawinendreier-ab
[5] https://www.powderguide.com/magazin/safety-themen/artikel/3×3-filtermethode-reduktionsmethode.html
[6] https://www.alpenverein.at/jugend/home/topnews/2016-12-22-stop-OR-go-or-stop-AND-go.php
[7] https://www.alpenverein.at/portal_wAssets/docs/news/2014/Alpenverein_Cardfolder-Skitouren_2014-15.pdf
[8] https://www.alpenverein.at/portal/bergsport/sicheramberg/skitouren/notfall-lawine-verschuettetensuche.php
[9] http://www.lawinen.at/